"Es war schon längst keine Rosa Rot Brille mehr, durch die sie ihn sah. Was blieb, war ein Gefühl von andauernder Wut und tief sitzendem Zorn. Früher einmal bekam sie Schmetterlinge im Bauch, wenn er mit ihr redete. Sie hörte ihm gebannt zu und merkte sich jedes noch so kleine Detail. Jetzt konnte sie es nicht ertragen, wie er sprach oder sich bewegte. Seine Präsenz brachte sie schon zur Weißglut. Purer tief roter Hass blitzte dann vor ihrem inneren Auge auf und Aggressionen waren ihr antrieb. Es reichte nicht ihm aus dem Weg zu gehen. Sie wollte das er verschwand. Nicht nur auf einen anderen Kontinenten, sondern komplett. Das waren Ihre Worte in unserer ersten Sitzung. Es war nicht sicher, wie und ob sie gehandelt hat, denn ihr Motiv war geprägt durch die Farbe Rot. Doch, war es das Rot der Liebe und Leidenschaft oder war es Hass und Verachtung. Das ist die Frage, die wir uns heute stellen werden.", sagte ich mit meinem Blick zum Auditorium gerichtet. "Farben sind nicht nur schön um sie auf Leinwänden zu betrachten, sondern spiegeln auch Emotionen wider. Dieses Phänomen verfolgt mich schon meine ganze Karriere lang, und nun ist es Teil ihrer Ausbildung."

Die Studierenden schauten mich mit großen Augen an. "Sie mögen mich vielleicht für verrückt halten, dass können sie ruhig auch aber eins sage ich ihnen. Wenn sie mit so einer Einstellung einer Patient*in gegenüber sitzen, ist Psychotherapeut der falsche Beruf für sie."

"Was ist mit ihr passiert?", hallte es aus der letzten Reihe zu mir runter. "Das ist eine hervorragende Frage. Die Farbe überkam sie. Nicht im Wort wörtlichen sinne, doch sie ließ sich von ihren Gefühlen hinreißen. Bei unserer letzten Sitzung gestand sie mir alles. Sie hätte ihn aufgesucht und hätte sich gerecht. Wie, wusste sie nicht mehr genau, sie beschrieb nur, dass die Farbe Rot das einzige war, was sie in diesem Moment sehen konnte. Wut, Hass, Zorn, Liebe, Leidenschaft. Es wurde bei ihr alles in genau diesem Moment hervorgerufen, sodass sie die Kontrolle verlor. Die Farbe dominierte sie vollkommen und was blieb war ein Gefühl der leere. Die Farben wichen aus ihrem Leben."